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Abstract
In diesem Artikel werden die speziellen Fristen in der Unfallversicherung untersucht, wobei das Hauptaugenmerk auf jene drei Fristen gelegt wird, welche nach langjähriger Versicherungspraxis bei der Geltendmachung der dauernden Invalidität von Relevanz sind. Dabei handelt es sich um die Manifestationsfrist, die Vorlagefrist des „ärztlichen Befundberichtes“ und die Neubemessungsfrist des Invaliditätsgrades.
1. Vorbemerkungen
1.1. Allgemeine Erläuterungen
Dem Begriff der dauernden Invalidität kommt in der Unfallversicherung erhebliche Bedeutung zu. Dieser ist gesetzlich nicht definiert. Die Umschreibung erfolgt in den Allgemeinen Bedingungen für die Unfallversicherung (nachfolgend: AUVB), wobei die Klauseln nicht zwingend ident sein müssen. In den AUVB 2008, Version 06/2017, der Musterbedingungen des Verbandes der Versicherungsunternehmen Österreichs (nachfolgend: AUVB 2008 des VVO) findet sich folgende Regelung:
„Die versicherte Person ist durch den Unfall auf Lebenszeit in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt.“
Während bei sonstigen Versicherungsleistungen aus der Unfallversicherung die Versicherer (nachfolgend: VR) im Leistungsfall meist verhältnismäßig geringe Beträge ausbezahlen müssen, fallen bei Vorliegen einer dauernden Invalidität häufig erhebliche Summen an, die sich nicht selten im sechsstelligen Bereich bewegen. Wohl auch deshalb sind VR besonders bemüht, Unklarheiten und Beweisschwierigkeiten zu begrenzen.
Die speziellen Fristen in der Unfallversicherung sind allesamt in den AUVB geregelt, weshalb eine unterschiedliche Auslegung aufgrund unterschiedlicher Formulierung möglich ist. Soweit nicht auf höchstgerichtliche Rechtsprechung Bezug genommen wird, dienen als Grundlage in diesem Artikel die AUVB 2008 des VVO in der oben bezeichneten Version.
1.2. Verjährungsfristen
Der Eintritt der Verjährung beseitigt ein Recht nicht zur Gänze. Es verbleibt eine sogenannte Naturalobligation, die zwar nicht einklagbar ist, jedoch wirksam erfüllt werden kann. Auf den Einwand der Verjährung kann im Vorhinein nicht verzichtet werden, wohl aber nach Ablauf der Verjährungsfrist. Daher ist ein vor Ablauf der Verjährungsfrist abgegebener Verzicht zwar ungültig, jedoch bedeutet ein Verjährungseinwand im Prozess zumeist Arglist.[1]
Sofern somit von einer Partei ein Verjährungsverzicht abgegeben und von dieser im Gerichtsprozess dennoch der Einwand der Verjährung erhoben wird, kann der Einwand der Verjährung als arglistig (Verstoß gegen Treu und Glauben) betrachtet werden, sodass keine Abweisung der Klage wegen Verjährung erfolgt.[2]
Die Verjährung ist nicht von Amts wegen wahrzunehmen, sondern muss von der Partei der Einwand der Verjährung erhoben werden.[3]
1.3. Präklusivfristen
Präklusivfristen werden auch als Fallfristen oder Ausschlussfristen bezeichnet.[4]
Während die Verjährung ein an sich unbefristetes Recht zum Erlöschen bringt, wird mittels Präklusion die Lebensdauer eines Rechtes von vornherein begrenzt. Nach Ablauf der Präklusivfrist ist das Recht vernichtet, mit der Wirkung, dass auch keine Naturalobligation besteht.[5] Gleich wie beim Verjährungseinwand kann das Verhalten desjenigen, der die Präklusionseinrede erhebt, arglistig sein und gegen das Gebot von Treu und Glauben verstoßen.[6] Ein Entschuldigungsbeweis durch den VN ist nicht zulässig.[7]
Es gilt der Grundsatz, dass Präklusivfristen von Amts wegen wahrzunehmen sind, wobei hievon teilweise abgewichen wird.[8] Es muss daher im Einzelfall geprüft werden, ob die Gerichte die Präklusion von Amts wegen wahrnehmen müssen/dürfen, weil der OGH teilweise von oben genanntem Grundsatz abgeht. So hat dieser ausgesprochen:
„Es muß in jedem Einzelfall nach dem Zweck der Fristsetzung und damit dem Willen des Normsetzers geprüft werden, ob auf den Ablauf einer Fallfrist von Amts wegen Bedacht genommen werden muß“[9].
Zu § 12 Abs 3 VersVG hat der OGH bspw ausgesprochen, dass die Präklusivfrist nicht von Amts wegen wahrzunehmen ist.[10] Für vertraglich vereinbarte Präklusivfristen gilt generell, dass diese nicht von Amts wegen wahrzunehmen sind. Der OGH begründet dies damit, dass es im Ermessen einer Partei liege, ob sie sich auf eine für sie günstige Vertragsbestimmung beruft.[11]
Präklusivfristen können, im Gegensatz zur Verjährung, durch Parteienvereinbarung (vor Ablauf der Frist) grundsätzlich verlängert werden.
1.4. Risikoausschlüsse
Während bei der Präklusivfrist ein Anspruch erlischt bzw bei Verjährung die Einklagbarkeit eines Anspruchs wegfällt, entsteht bei einem Risikoausschluss das Recht von vornherein nicht.[13] Als Ausnahmetatbestände dürfen Risikoausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert.[14] Die Behauptungslast für das Vorliegen eines Risikoausschlusses trifft den VR.[15]
Zur Abgrenzung zwischen Risikoausschlüssen und Obliegenheiten dient die sogenannte „Verhaltenstheorie“, welche davon ausgeht, dass Obliegenheiten Verhaltenspflichten des Versicherungsnehmers (nachfolgend: VN) sind.[16] Einen Risikoausschluss kann der VN nicht durch sein späteres Verhalten beeinflussen oder kontrollieren.[17] Die Verhaltenstheorie ist somit von Relevanz für die Beurteilung, ob eine „verhüllte Obliegenheit“ (eine als Risikoausschluss getarnte Obliegenheit) vorliegt. Während bei Risikoausschlüssen die Leistungsfreiheit des VR ohne weiteres eintritt, sind bei Obliegenheitsverletzungen die Voraussetzungen gemäß § 6 VersVG zu beachten, welche Vorschrift zu Lasten des VN nicht abdingbar ist.[18]
Ein Risikoausschluss kann auch dahingehend vereinbart werden, dass eine Frist gesetzt wird, wobei dennoch die Regeln zum Risikoausschluss zur Anwendung gelangen.
2. DIE FRISTEN IN DER UNFALLVERSICHERUNG
2.1. Die „drei Fristen bei dauernder Invalidität“
Eine strikte Bezeichnung der „drei Fristen bei dauernder Invalidität“ gibt es nicht, wobei in diesem Artikel, dem OGH folgend, nachstehende Bezeichnungen gewählt werden:
- Manifestationsfrist (von einem Jahr)
- Vorlagefrist des „ärztlichen Befundberichtes“ (binnen 15 Monaten)
- Neubemessung des Invaliditätsgrades (binnen vier Jahren)
Diese Fristen sind ausschließlich in den AUVB erwähnt. Teilweise sind diese in den Bedingungen vereinbart, teilweise nicht. In den Musterbedingungen der AUVB 2008 des VVO finden sich zwei der drei Fristen, wobei die Vorlagefrist des „ärztlichen Befundberichtes“ nicht festgehalten ist. Dennoch wird letztgenannte Frist von den VR nach wie vor verwendet, dies auch in aktuellen AUVB.[19] Die Formulierung kann abweichen, je nachdem von welchem Unfallversicherer die AUVB stammen und um welche Version es sich handelt.
Die oben aufgezählten drei Fristen finden sich allesamt bei den Regelungen zur dauernden Invalidität.
2.2. Sonstige Fristen in der Unfallversicherung
Eine generelle Frist im Versicherungsvertragsrecht, welche auch von erheblicher Relevanz für die Unfallversicherung ist, regelt § 12 Abs 3 VersVG. Inhalt dieser Bestimmung ist, dass der VR gegenüber dem VN frei von der Leistungsverpflichtung ist, wenn der VR die Ansprüche begründet ablehnt und über die Folgen der Ablehnung belehrt, sofern nicht binnen einem Jahr Klage eingebracht wird.
Auch gibt es sogenannte Fälligkeitsfristen, welche bestimmen, wann die Fälligkeit der Leistung des VR eintritt. Nach den Musterbedingungen der AUVB 2008 des VVO erfolgt eine Auszahlung im ersten Jahr nach dem Unfall nur dann, wenn Art und Umfang der Unfallfolgen aus ärztlicher Sicht eindeutig feststehen. Auch ist in den AUVB zumeist geregelt, dass kein Anspruch auf dauernde Invalidität besteht, wenn der VN unfallbedingt innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfall stirbt.
Spitalgeld steht häufig nur für Spitalsaufenthalte zu, welche innerhalb von vier Jahren ab dem Unfalltag anfallen. Diese Vierjahresfrist gilt ebenso für das Taggeld und die Unfallkosten.[20]
Die meisten AUVB regeln das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten über Art und Umfang der Unfallfolgen durch fakultative oder obligatorische Anrufung einer Ärztekommission. Sofern Bedingungen die obligatorische Anrufung der Ärztekommission vorsehen, ist in diesen zumeist enthalten, dass bei sonstigem Verlust des Anspruches, die Ärztekommission innerhalb von sechs Monaten angerufen werden muss. Die Sechsmonatsfrist ist auch bei einer fakultativen Anrufung der Ärztekommission relevant, da allenfalls der Klagsweg für den VN gegenüber dem VR noch nicht offen steht, insofern der VR innerhalb dieser Frist die Anrufung der Ärztekommission zur Beilegung der Streitigkeit wünscht und der VR nicht bereits zuvor konkludent auf diese verzichtet hat.[21]
2.3. Regelungen zur Fristdauer
Die Prüfung der Gültigkeit von Risikoabgrenzungen durch Präklusivfristen in Versicherungsbedingungen ist nach der Geltungs- und Inhaltskontrolle vorzunehmen.[22] Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass eine kürzere Verjährungsfrist als die in § 12 VersVG normierte, durch Vereinbarung einer Präklusivfrist zulässig ist.[23]
An dieser Stelle soll ausschließlich darauf eingegangen werden, wie eine „Verkürzung der drei Fristen“ in der Unfallversicherung zu beurteilen ist. Regelmäßig sind folgende Fristen vereinbart: Für die Manifestationsfrist ein Jahr, Vorlagefrist des „ärztlichen Befundberichtes“ 15 Monate, für die Neubemessung des Invaliditätsgrades vier Jahre. Die Fristen beginnen jeweils ab dem Unfalltag zu laufen. Eine Verkürzung oder Verlängerung im eigentlichen Sinne gibt es nicht, weil den Fristen keine gesetzlichen Regelungen gegenüberstehen; diese finden sich ausschließlich in den AUVB. Somit lässt sich nur schwer beurteilen, ob bei Abweichen von einer dieser Fristen zum Nachteil des VN, im Vergleich zur regelmäßig vereinbarten Frist, die Bedingung bekämpft werden kann. Zu den derzeit üblicherweise vereinbarten Fristen und deren Dauer hat der OGH bereits festgehalten, dass diese sowohl der Geltungskontrolle als auch der Inhaltskontrolle standhalten.[24]
Soweit ersichtlich gibt es keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Prüfung, ob die hier behandelten drei Fristen rechtsgültig kürzer vereinbart werden können.
Meiner Ansicht nach, ist eine Verkürzung der einjährigen Manifestationsfrist höchst problematisch, weil keine nachvollziehbare Begründung für bspw eine Verkürzung auf sechs Monate vorliegt, und daraus gleichzeitig ein erheblicher Nachteil für den VN resultiert. Dasselbe gilt für die Frist zur Vorlage des „ärztlichen Befundberichtes“. Hingegen ist die Herabsetzung der Neubemessungsfrist weniger problematisch, weil sich dies sowohl zum Nachteil des VR als auch des VN auswirken kann, und erst im Schadenfalle ersichtlich wird, wer im Einzelfall von der Klausel benachteiligt ist.
3. Die „drei Fristen bei dauernder Invalidität“
3.1. Die Manifestationsfrist
3.1.1. Erläuterung der Frist
Die dauernde Invalidität muss sich binnen einem Jahr nach dem Unfall ergeben.[25] In den AUVB 2008 des VVO findet sich folgende Regelung:
„Die Invalidität ist innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten…“
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei dieser Klausel um einen Risikoausschluss und nicht um eine Präklusivfrist.[26] Eine Präklusivfrist kann nicht vorliegen, weil das Recht nicht erlischt sondern durch Eintritt der Invalidität binnen einem Jahr erst entstehen muss.
Es sind somit weder die Regelungen zur Verjährung noch zu den Präklusivfristen anwendbar.[27] Auch ergibt sich aus dieser Einteilung, dass der OGH davon ausgeht, dass die Manifestationsfrist nicht als primäre sondern als sekundäre Risikoumschreibung (Risikoausschluss) zu verstehen ist. Diese Einteilung ist von erheblicher Relevanz, weil für den Eintritt der primären Risikoumschreibung der VN beweispflichtig ist, während für den Eintritt der sekundären Risikoumschreibung der VR beweispflichtig ist.[28] Soweit überblickbar kann den Entscheidungen zur Manifestationsfrist nicht entnommen werden, warum der OGH davon ausgeht, dass es sich bei der Manifestationsfrist um einen Risikoausschluss und nicht um eine primäre Risikoumschreibung handelt. Generell ist nach Ansicht des OGH für die Abgrenzung der materielle Inhalt einer Versicherungsbedingung entscheidend, nicht die äußere Erscheinungsform.[29] Zugleich vertritt dieser die Auffassung, dass es von Relevanz sein kann, ob die Bestimmung „positiv“ als primäre Risikobegrenzung oder „negativ“ als Risikoausschluss formuliert wurde.[30] Offensichtlich wird vom OGH zur Manifestationsfrist daher die Meinung vertreten, dass ungeachtet der „positiven“ Formulierung, aus welcher der Schluss auf eine primäre Risikoumschreibung gezogen werden könnte, der dahinterstehende materielle Inhalt (nämlich die zeitliche Begrenzung auf ein Jahr) zur Einordnung als Risikoausschluss führen muss.
Die Manifestationsfrist regelt nur den Eintritt der dauernden Invalidität, nicht aber den Zeitpunkt der Geltendmachung der Versicherungsleistung. Nicht von Relevanz ist, ob die dauernde Invalidität binnen Jahresfrist dem VN oder dem VR bekannt gewesen ist, sondern lediglich ob eine solche sich – wenn auch erst nachträglich festgestellt – binnen eines Jahres ergeben hat.[31]
Die Manifestationsfrist darf nicht verwechselt werden, mit der ebenfalls häufig in den AUVB zu findenden Frist, welcher zufolge der VR im ersten Jahr nach dem Unfall eine Invaliditätsleistung nur zu erbringen hat, wenn Art und Umfang der Unfallfolgen aus ärztlicher Sicht eindeutig feststehen. Zunächst scheinen diese beiden Fristen widersprüchlich zu sein. Tatsächlich ergänzen diese einander. Die letztgenannte Frist soll verhindern, dass innerhalb des ersten Jahres Streitigkeiten entstehen, weil es im ersten Jahr nach dem Unfall oftmals Zweifel über den Umfang der dauernden Invalidität gibt.[32] Die Manifestationsfrist hingegen grenzt die Leistungsbandbreite ein, wodurch verhindert werden soll, dass bei Jahren nach dem Unfall auftauchenden neuen Gesundheitsproblemen (die Neubemessungsfrist wird dadurch nicht berührt) diskutiert werden muss, ob der Unfall für diese kausal ist.
3.1.2. Zur Beweispflicht des Eintritts der dauernden Invalidität
Die Beweispflicht für das Nichtvorliegen der dauernden Invalidität innerhalb eines Jahres trifft den VR, wobei sich diese Beweislastverteilung daraus ergibt, dass den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses der VR zu führen hat.[33] Nicht umfasst von dieser Beweislastverteilung ist jedoch der Beweis der grundsätzlich vorliegenden dauernden Invalidität, welchen der VN zu erbringen hat. Dies folgt auch aus dem Grundsatz, dass der VN den Versicherungsfall, der VR jedoch das Vorhandensein eines Risikoausschlusses zu beweisen hat.[34] Es hat daher eine strikte Unterscheidung stattzufinden, zwischen dem grundsätzlichen Vorliegen der dauernden Invalidität und dem Zeitpunkt des Eintritts der Invalidität. Die Rechtsprechung zu obig dargelegter Einteilung scheint klar zu sein; jedoch wird in der (höchstgerichtlichen) Praxis zur Beweislastverteilung missverständlich judiziert.
In der auch von Grubmann[35] zitierten Entscheidung vom 28.11.2007 spricht der OGH zur Beweislast folgendes aus:
„Es fehlen nämlich Feststellungen, die die rechtliche Beurteilung zuließen, dass eine Dauerinvalidität innerhalb des ersten Jahres nach dem Unfall überhaupt vorlag. Nur wenn die Prognose mit hoher Wahrscheinlichkeit das Vorliegen einer dauernden Invalidität ergibt, stellt sich die Frage, ob sich die Invaliditätsprognose innerhalb von zwei Jahren nach dem Unfall zugunsten der Beklagten verbessert hat. Nur innerhalb dieser Zeit kann sie eine Neubemessung begehren. Sollte eine Besserung der Prognose erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sein, so könnte dies zum Vorteil der Beklagten nicht mehr durchschlagen. Sollte sich aber ergeben, dass innerhalb eines Jahres ab Unfallstag keine Dauerinvalidität als Unfallfolge eingetreten ist, so bestünde der klägerische Anspruch von vornherein im Hinblick auf den vereinbarten Risikoausschluss nicht zu Recht.“[36]
Diese Ansicht wurde vom OGH mehrfach, sowie auch jüngst, bestätigt wie folgt:
„Im fortgesetzten Verfahren werden zu der zu II.6. bezeichneten Tatfrage aussagekräftige Feststellungen zu treffen sein. Eine gegebenenfalls dauernde neurologische Funktionsbeeinträchtigung wird nur dann anspruchsbegründend sein, wenn diese beim Kläger binnen Jahresfrist eingetreten ist.“[37]
Meiner Ansicht nach sind diese Aufträge an die Unterinstanzen missverständlich. Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich bei der Manifestationsfrist um einen Risikoausschluss und ist der VR beweispflichtig für das Vorliegen eines solchen. Wenn der OGH jedoch obige Feststellungen „vermisst“ – und Feststellungen (bei sonstigem Anspruchsverlust) dahingehend verlangt, dass festgestellt werden muss, dass eine dauernde Invalidität binnen einem Jahr vorgelegen sein müsse – dann trägt er den Unterinstanzen quasi auf, dass wenn diese Feststellungen nicht getroffen werden können, kein Anspruch auf dauernde Invalidität besteht. Diese Auslegung wäre unrichtig, ist doch der VR nach ständiger Rechtsprechung beweispflichtig für das Vorliegen eines Risikoausschlusses.[38]
Wünschenswert wäre eine Formulierung dahingehend, dass zu folgenden Themen Feststellungen zu treffen sind: (1) Ob eine dauernde Invalidität vorliegt[39] und (2) ob ausgeschlossen werden kann, dass binnen einem Jahr ab dem Unfalltag die dauernde Invalidität eingetreten ist.[40] Eine Negativfeststellung dahingehend, dass zwar eine dauernde Invalidität nachweislich vorliegt, jedoch nicht festgestellt werden kann, ob diese binnen einem Jahr nach dem Unfall eingetreten ist, geht sodann nämlich zu Lasten des VR, wie dies bei Risikoausschlüssen nach ständiger Rechtsprechung vorgesehen ist.
3.1.3. Notwendiger Umfang der dauernden Invalidität
Der Umfang und Grad der Invalidität muss innerhalb eines Jahres nicht feststehen, solange objektiv geklärt ist, dass es sich um eine dauernde Invalidität handelt.[41] Dies bedeutet jedoch nicht, dass wenn eine dauernde Invalidität bspw hinsichtlich des Auges eingetreten ist, somit auch Spätschäden für eine dauernde Invalidität resultierend aus dem gleichen Unfall für ein anderes Körperteil oder Sinnesorgan erfasst sind, wenn die dauernde Invalidität erst nach einem Jahr eintritt.
Der OGH hat sich jüngst dazu geäußert und ausgesprochen:
„Es reicht daher die unstrittig lebenslang dauernde teilweise Funktionsunfähigkeit eines Organs (hier: beider Augen) nicht aus, um eine, damit nicht im Zusammenhang stehende, gegebenenfalls erst nach Ablauf eines Jahres eingetretene Funktionsstörung aus einem anderen medizinischen Fachgebiet im Rahmen einer Neubemessung berücksichtigen zu können.“[42]
3.2. Vorlagefrist des „ärztlichen Befundberichtes“ (binnen 15 Monaten)
3.2.1. Erläuterung der Frist
Wie bereits erwähnt, beinhalten die AUVB 2008 des VVO keine Frist, welche die Vorlage eines „ärztlichen Befundberichtes“ vorsieht. Da jedoch VR ihre eigenen Bedingungen erstellen, soll diese Frist aufgrund ihrer Bedeutung dennoch behandelt werden. In Abweichung zu den Musterbedingungen verwenden einige VR diese Frist in ihren aktuellen Versicherungsbedingungen.
Eine beispielhafte Formulierung lautet wie folgt:
„Die dauernde Invalidität muss
- innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten sein und
- innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall durch einen ärztlichen Befundbericht festgestellt und bei uns geltend gemacht werden. Aus dem ärztlichen Befundbericht müssen Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgehen.“[43]
Bei dieser Frist handelt es sich nach ständiger Rechtsprechung um eine Präklusivfrist.[44]
3.2.2. Der Begriff des „ärztlichen Befundberichtes“
Die Bedingungen selbst regeln nur rudimentär, wie ein „ärztlicher Befundbericht“ auszusehen hat. In der Regel ist in den AUVB festgehalten, dass aus diesem Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgeht.
Daraus ist abzuleiten, dass die Anzeige des VN, mag diese auch begründet und nachvollziehbar sein, nicht ausreichend ist. Es bedarf vielmehr eines Befundberichtes eines Arztes, in welchem konkret dargelegt ist, dass die Wahrscheinlichkeit einer dauernden Invalidität besteht. Aus dem Wortlaut der Formulierung kann meiner Ansicht nach nicht abgeleitet werden, ob im „ärztlichen Befundbericht“ selbst seitens des Arztes nur Art und Umfang der Gesundheitsschädigung festgehalten werden muss und daraus sodann die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität abgeleitet werden kann, oder ob der Arzt zur Möglichkeit einer auf Lebenszeit gegebenen dauernden Invalidität im Befundbericht Stellung nehmen muss.
Der OGH vertritt jedenfalls die Auffassung, dass der Arzt in seinem Befundbericht zur dauernden Invalidität Stellung nehmen muss, und hat hiezu ausgesprochen:
„Unter einem solchen Bericht ist zu verstehen, dass dem Versicherer die ärztlich begründete Wahrscheinlichkeit einer dauernden Invalidität mitgeteilt wird.“[45]
Ausreichend ist nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung bereits ein übermittelter „ärztlicher Befundbericht“ in welchem festgehalten ist, dass eine auf Dauer verbleibende Invalidität „möglicherweise“ besteht.[46]
Folgt man der Rechtsprechung des OGH, ist somit ein „ärztlicher Befundbericht“ notwendig, in welchem festgehalten wird, dass es sich um eine dauernde Invalidität handelt, bzw eine solche möglicherweise gegeben sein kann. Nach meiner Meinung muss dies zwar nicht dadurch geschehen, dass der Wortlaut dauernde Invalidität gewählt wird, jedoch muss zumindest die Einschätzung des Arztes, dass die Verletzung dauerhaft ist, festgehalten werden.
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung ist die Bezeichnung „ärztlicher Befundbericht“ irreführend. Zu unterscheiden ist nämlich strikt zwischen einem Befund und einem Gutachten, dies geht bereits aus § 362 ZPO hervor. Ein Gutachten erläutert Erfahrungssätze, zieht aus diesen Schlussfolgerungen und/oder stellt aufgrund von Erfahrungssätzen Tatsachen fest.[47] Ein Befund bildet hingegen die Grundlage für die Schlussfolgerungen des Gutachtens.[48]
Ob eine dauernde Invalidität aufgrund des Unfalls vorliegt, muss als gutachterliche Schlussfolgerung des Arztes betrachtet werden. Somit bedürfte es eigentlich der Bezeichnung als ärztliches Gutachten, wenn gefordert werden soll, dass der Arzt konkret Stellung zur Dauerhaftigkeit der Verletzung nimmt. Aufgrund dieser Betrachtungsweise ließe sich argumentieren, dass der Arzt zur dauerhaften Invalidität keine Stellung nehmen muss, sondern aus dem Befund (aufgrund der konkreten Schilderungen) eine dauernde Invalidität bloß ableitbar sein muss. Aufgrund der Bezeichnung als Befundbericht und der unklaren Formulierung der AUVB, nämlich ob im „ärztlichen Befundbericht“ die Möglichkeit einer dauerhaften Invalidität seitens des Arztes festgehalten werden muss, oder aus dem Befund die dauernde Invalidität nur ableitbar sein muss, wäre eine Vertragsauslegung nach § 915 Satz 2 ABGB notwendig. Bei einer solchen Vertragsausauslegung müsste man zu dem Ergebnis gelangen, dass ärztlicherseits keine Stellungnahme zur Möglichkeit der dauernden Invalidität getroffen werden muss, da dies zum Nachteil des VN führen würde.[49] Der OGH sieht dies, wie oben ausgeführt, anders, weil er verlangt, dass die dauernde Invalidität „mitgeteilt“ werden muss.
Konkret mit dieser Frage haben sich mehrere Oberlandesgerichte aus Deutschland beschäftigt, wobei ein schlichter Befundbericht, auf dessen Basis man bei einer nachträglichen medizinische Beurteilung zum Schluss einer dauernden Invalidität gelangt, als nicht ausreichend betrachtet wurde. Jedoch findet sich in den deutschen Bedingungen nicht die Formulierung „ärztlicher Befundbericht“, sondern erfolgt die Umschreibung, dass die Invalidität „von einem Arzt festgestellt werden muss.“[50]
Wenn man meiner Auffassung folgen würde, wäre meist strittig, welche Feststellungen zu Art und Umfang notwendig sind um eine dauernde Invalidität ableiten zu können; wobei es sich hiebei um keine juristische, sondern um eine medizinische Frage handelt. Letztlich wird der VN daher, und natürlich aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, gut beraten sein, einen „ärztlichen Befundbericht“ vorzulegen, in welchem klar und deutlich festgehalten ist, dass eine dauernde Invalidität vorliegt.
3.2.3. Verstoß gegen Treu und Glauben
Ein Verstoß gegen Treu und Glauben ist genauso bei anderen Fristen von Relevanz. Besondere Bedeutung dieses Grundsatzes ist im Zusammenhang mit der Vorlage des „ärztlichen Befundberichtes“ gegeben, weil VR offensichtlich im Zusammenhang mit dieser Frist besonders häufig vorgeworfen wird, dass ihr Einwand gegen Treu und Glauben verstößt. Dies geht bereits daraus hervor, dass der Verstoß gegen Treu und Glauben im Zusammenhang mit Unfallversicherungsfristen vom OGH zumeist im Zusammenhang mit der Vorlagefrist des „ärztlichen Befundberichtes“ behandelt wird.
Der Rechtsverlust tritt bei einer Präklusivfrist jedenfalls auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechtes während der Laufzeit unverschuldet unterblieben ist.[51] Die Berufung des VR auf den Fristablauf kann dennoch gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen. Eine derartige Treuwidrigkeit liegt grundsätzlich dann vor, wenn die Säumnis des VN aus dem Verhalten des VR resultiert.[52]
In Deutschland ist die Rechtslage durch § 186 VVG, welche Vorschrift halbzwingend ist, eindeutig wie folgt geregelt:
„Zeigt der Versicherungsnehmer einen Versicherungsfall an, hat der Versicherer ihn auf vertragliche Anspruchs- und Fälligkeitsvoraussetzungen sowie einzuhaltende Fristen in Textform hinzuweisen. Unterbleibt dieser Hinweis, kann sich der Versicherer auf Fristversäumnis nicht berufen.“[53]
Während somit in Deutschland für den VR unbestritten die Verpflichtung besteht, auf Fristen hinzuweisen, besteht eine derartige Pflicht nach österreichischem Recht grundsätzlich nicht. Durch den Grundsatz von Treu und Glauben kann sich eine derartige Verpflichtung für den VR jedoch ergeben, wobei nach der österreichischen Rechtslage jeweils im Einzelfall zu prüfen ist, ob der VR auf die Frist hinzuweisen gehabt hätte oder nicht.
Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass wenn sich aus der Unfallanzeige ein deutlicher Hinweis auf Dauerfolgen ergibt, der VR auf die Notwendigkeit zur fristgerechten Geltendmachung eines Invaliditätsanspruches hinzuweisen hat.[54] Dieser vertritt zudem die Rechtsansicht, dass wenn sich der VR nach Ablauf der Frist noch in Verhandlungen einlässt und neue Gutachten anfordert, die spätere Berufung auf die Präklusivfrist treuwidrig sein kann.[55] Wichtig ist, dass stets der Gesamtzusammenhang zu betrachten ist und nicht einzelne Handlungen des VN oder des VR losgelöst betrachtet werden dürfen.[56]
Eine Hinweispflicht könnte sich auch ergeben, (ohne dass es eines Hinweises in der Unfallanzeige bedarf) wenn der VN einen Befundbericht vorlegt, in welchem zwar keine dauernde Invalidität ärztlicherseits festgehalten ist, jedoch sich eine solche ableiten lässt; insbesondere wenn der VN seitens des VR durch einen medizinischen Sachverständigen begutachtet wird.[57]
3.3. Neubemessung des Invaliditätsgrades (binnen vier Jahren)
3.3.1. Erläuterung der Frist
Sofern der Grad der dauernden Invalidität nicht eindeutig feststeht, kann dieser binnen vier Jahren ab dem Unfalltag neu bemessen werden, wodurch verhindert werden soll, dass die abschließende Bestimmung des Invaliditätsgrades auf unbestimmte Zeit hinausgeschoben wird.[58] Die durch Setzung der Ausschlussfrist vorgenommene Risikobegrenzung soll eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät-)Schäden herbeiführen.[59] Die gegenständliche Frist ist in den Musterbedingungen der AUVB 2008 des VVO wie folgt geregelt:
„Steht der Grad der dauernden Invalidität nicht eindeutig fest, sind sowohl die versicherte Person als auch wir berechtigt, den Invaliditätsgrad jährlich bis 4 Jahre ab dem Unfalltag ärztlich neu bemessen zu lassen.“[60]
Sofern die Antragstellung nicht innerhalb von vier Jahren ab dem Unfalltag erfolgt, bleibt es bei der bisherigen Bemessung des Invaliditätsgrades. Diese Frist ist weder nach § 864a ABGB noch gem § 879 Abs 3 ABGB zu beanstanden, auch weil sie für den VN sowie für den VR gleichermaßen gilt.[61]
Nach ständiger Rechtsprechung handelt es sich um eine Präklusivfrist.[62] Der Ablauf dieser Präklusivfrist ist nicht von Amts wegen wahrzunehmen. Der OGH begründet dies damit, dass es im Ermessen einer Partei liege, ob sie sich auf eine für sie günstige Vertragsbestimmung beruft.[63]
3.3.2. Zeitpunkt der Antragstellung
In der Entscheidung 7 Ob 153/12v[64] beschäftigte sich der OGH mit der Frage der Rechtzeitigkeit des Antrags auf Neubemessung, dies wie folgt:
„Ein Antrag auf Vornahme der Neubemessung muss vom Versicherer jedenfalls so rechtzeitig gestellt werden, dass die ärztliche Untersuchung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge noch vor Ablauf der Frist möglich ist (Knappmann aaO Rn 13, 2803). Wenn hingegen der Versicherungsnehmer gegen den Versicherer vor Ablauf der Frist für die Neubemessung Klage erhebt, gehen die Parteien typischerweise davon aus, dass der Streit insgesamt, das heißt, einschließlich etwaiger weiterer Invaliditätsfeststellungen, in dem vor Fristablauf eingeleiteten Prozess ausgetragen werden soll, ohne dass es einer Neufeststellung bedarf; wobei der Invaliditätsgrad bis maximal zum Ablauf der Frist maßgebend ist.“[65]
Ein Antrag auf Neubemessung kann daher auch – zumindest seitens des VN – in Form einer Klage geschehen. Offen gelassen wird, ob dies gleichermaßen für den VR gilt.[66] Daraus folgt, dass die Neubemessung nicht einseitig ohne Wissen des anderen erfolgen darf.
Auch wird in oben zitierter Entscheidung festgehalten, dass nicht der Zeitpunkt der Antragstellung relevant ist, sondern die Untersuchung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge noch vor Ablauf der Frist möglich sein muss. Dies gilt sowohl für VR, als auch VN.[67] Somit ist die tatsächliche Durchführung nicht relevant, vielmehr kommt es auf den Zeitpunkt der Antragstellung an, wobei zu berücksichtigen ist, ob eine Durchführung der Neubemessung typischerweise durchgeführt werden könnte. Diese Regelung gilt gleichermaßen für den VN.[68] Meiner Ansicht nach, wäre das Abstellen auf die tatsächliche Durchführung wohl höchst problematisch, weil sodann die eine oder die andere Partei die tatsächliche Durchführung hinauszögern könnte um den Ablauf der Frist zu erreichen, weshalb das Abstellen des OGH auf Möglichkeit der Durchführung bei typischem Verlauf wohl der richtige Lösungsansatz ist.
Nicht geklärt erscheint, ob auch eine Klage durch den VR (und nicht nur durch den VN) im Sinne einer Antragstellung auf Neubemessung zulässig ist und ob auch bei Einbringung einer Klage darauf abzustellen ist, ob nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge die ärztliche Untersuchung vor Ablauf der Frist hätte stattfinden können.[69] Meiner Ansicht nach ist keine Rechtfertigung ersichtlich, weshalb nicht auch die Klage eines VR, wenn dies ebenso für den VN gilt, im Sinne einer Antragstellung zu werten ist. Dafür spricht auch, dass in der Entscheidung des OGH zu 7 Ob 153/12v keine Begründung genannt ist, weshalb eine Klage durch den VR nicht dieselbe Wirkung hat, wie jene des VN. Zur zweiten Frage ist festzuhalten, dass nach dem Wortlaut der letztgenannten Entscheidung bei einer Klage nicht auf den typischen Verlauf abzustellen ist (zumindest findet sich keine Klarstellung), sondern nur auf den Zeitpunkt der Klagseinbringung. Den Ausführungen des OGH lässt sich jedoch nicht entnehmen, dass dieser tatsächlich eine Möglichkeit gestatten möchte, dass wenn die Antragstellung selbst verspätet ist, eine Klage noch rechtzeitig sein soll. Vielmehr wollte der OGH offensichtlich lediglich festhalten, dass eine Klage mit einer Antragstellung gleichzusetzen ist. Das nicht nochmalige Ausführen, dass auch bei einer Klage auf den typischen Verfahrensablauf abzustellen ist, wurde wohl als nicht notwendig empfunden. Unter dem typischen Verfahrensablauf ist jener zu verstehen, welcher bei außergerichtlicher Antragstellung erfolgt wäre und nicht im Rahmen eines Gerichtsprozesses.
3.3.3. Begriff „entsprechende Erklärung“
Der Rechtssatz RS0122859 enthält zur Entscheidung 7 Ob 153/12v folgenden Beisatz:
„Die Neubemessung der Invalidität innerhalb der vereinbarten Frist setzt voraus, dass die dauernde Invalidität bereits grundsätzlich feststand, ärztlich bemessen wurde und der Versicherer dazu eine entsprechende Erklärung abgegeben hat.“
Die Bemerkung, dass der VR eine entsprechende Erklärung abgeben muss, kann zu Verständnisproblemen führen. Dies deshalb, weil ohne Durchsicht der Entscheidung 7 Ob 153/12v, der Eindruck entstehen kann, dass es darauf ankommt, dass konkret der VR (und nicht der VN) eine entsprechende Erklärung abzugeben hat. Aus der gegenständlichen höchstgerichtlichen Entscheidung ergibt sich jedoch, dass im konkreten Fall die rechtzeitige Antragstellung auf Neubemessung seitens des VR behandelt wurde. Daraus ergibt sich, wenn der VN eine Neubemessung beantragt, er es ist, der die Erklärung abgegeben kann/muss. Es kommt somit lediglich darauf an, wer die Neubemessung beantragen möchte.
Das Begehren auf Neubemessung ist an keine bestimmte Form gebunden und kann daher auch mündlich erhoben werden.[70]
3.3.4. Das Problem der möglichen Verschlechterung durch Klagseinbringung
Zufolge der Entscheidung des OGH 7 Ob 153/12v ersetzt eine Klage die fristgerechte Antragstellung.
Während eine Klage selbst nicht dazu führen kann, dass der Kläger aufgrund der Klage schlechter gestellt wird als ohne Klage (die Prozesskostenersatzpflicht ausgenommen), führt eine fristgerechte Antragstellung auf Neubemessung dazu, dass der Antragsteller ein für seinen Standpunkt ungünstigeres Ergebnis gegen sich gelten lassen muss.[71]
Kein Problem besteht dann, wenn das Gerichtsverfahren vor Ablauf der Vierjahresfrist endet, weil sodann der Beklagte (sei es der VR oder der VN), einen neuen Antrag stellen könnte. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Kläger das allenfalls schlechtere Ergebnis im Rahmen eines Gerichtsverfahrens gegen sich gelten lassen muss, wenn die Neubemessungsfrist bei Abschluss der Prozesses abgelaufen ist.
Meiner Ansicht nach muss der Kläger, weil die Klage gleichzeitig als Antrag auf Neubemessung zu werten ist, ein schlechteres Ergebnis gegen sich gelten lassen, wobei sich eine derartige Verschlechterung denkunmöglich aus dem Urteilsspruch selbst ergeben kann (aus diesem kann nur die Klagsabweisung ersichtlich sein), sondern lediglich aus dem im Rahmen des Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten und den getroffenen Feststellungen.
Prozessual müsste der ehemalige Beklagte, der nunmehr aktiv einen Betrag begehrt, sein Recht dennoch mit Klage durchsetzen (dürfen), wobei der ehemalige Kläger den Fristablauf nicht einwenden kann. Für diese Rechtsansicht spricht auch, dass der OGH ausgesprochen hat, dass der in einem Gerichtsverfahren ermittelte Invaliditätsgrad nicht nur Tatsachenfeststellung ist, sondern auch letzter Teil des Neubemessungsverfahrens für die „endgültige Bemessung“ des Invaliditätsgrades.[72]
Es kann somit zu einer Schlechterstellung des Klägers durch die Klage kommen, wobei dies nicht auf die Rechtswirkung der Klage selbst zurückgeht sondern darauf, dass durch diese gleichzeitig eine Neubemessung beantragt wird.
3.3.5. Zur Neubemessung bei vorliegendem Urteil
Mit der Vierjahresfrist soll der Zeitraum begrenzt werden, in dem Zustandsänderungen noch in eine Neubemessung einfließen können. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ein zeitlich davor gelegenes rechtskräftiges Urteil dieses Recht beschneiden sollte. Allerdings ist nur eine nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretene Zustandsverschlechterung relevant.[73]
4. Resümee
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass den drei Fristen zur dauernden Invalidität in der Unfallversicherung besondere Bedeutung zukommt und bereits zahlreiche höchstgerichtliche Entscheidungen ergangen sind. Der OGH erachtet diese Fristen als zulässig, wobei offen ist, ob eine Verkürzung der derzeit üblichen Fristen, der Geltungs- und Inhaltskontrolle standhalten würde. Nach wie vor bestehen offene Fragen und werden auch in Zukunft mehrfach höchstgerichtliche Entscheidungen zu diesen Fristen ergehen.
Wünschenswert wäre, dass der OGH den Unterinstanzen zur Manifestationsfrist als Risikoausschluss unmissverständlich aufträgt, dass nicht festgestellt werden muss, dass die dauernde Invalidität binnen der Manifestationsfrist eingetreten ist, sondern: (1) Ob dauernde Invalidität vorliegt und (2) ob ausgeschlossen werden kann, dass binnen einem Jahr ab dem Unfalltag die dauernde Invalidität eingetreten ist.
Eine Klarstellung des OGH, warum ein „ärztlicher Befundbericht“ teilweise gutachterliche Schlüsse enthalten soll, oder ob er seine Rechtsansicht aufgrund der undeutlichen Formulierung der AUVB überdenkt, bleibt abzuwarten.
[1] Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 1502 (Stand 1.9.2015, rdb.at) Rz 1ff.
[2] RIS-Justiz RS0034537.
[3] Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB4 VI (2016) § 1451 Rz 4.
[4] RIS-Justiz RS0116131.
[5] Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB4 VI § 1451 Rz 9.
[6] OGH 23.10.1996, 7 Ob 2167/96v; RIS-Justiz RS0082179.
[7] Fenyves in Fenyves/Schauer (Hrsg), VersVG (2014) § 6 Rz 39.
[8] Mader/Janisch in Schwimann/Kodek, ABGB4 VI § 1451 Rz 9.
[9] OGH 30.08.1989, 9 ObA 178/89.
[10] RIS-Justiz RS0080313; Gruber in Fenyves/Schauer § 12 Rz 88.
[11] 7 Ob 47/16m ZfG 2016, 127 = RdM‑LS 2017/21 = ZFR 2017/63 = VersR 2017, 782 = ecolex 2017,658 (Ertl).
[12] RIS-Justiz RS0034479.
[13] Fenyves in Fenyves/Schauer, § 6 Rz 25ff; Wieser, Versicherungsvertragsrecht Allgemeiner Teil3 (2015) 99f.
[14] OGH 7 Ob 210/14d VbR 2015/93 = VersR 2015, 1185 = Gruber, ZFR 2015, 476 = VR 2016/981 (Palten) = Ertl, ecolex 2016, 284 = ecolex 2016/130 = HAVE/REAS 2016, 227 (Huber) = ZVR 2016/44 (Danzl) = Ertl, ecolex 2016, 944.
[15] RIS-Justiz RS0080122; OGH 16.03.2005, 7 Ob 311/04t.
[16] Fenyves in Fenyves/Schauer § 6 Rz 28.
[17] RIS-Justiz RS0080068; OGH 28.09.2016 7 Ob 158/16k.
[18] Fenyves in Fenyves/Schauer § 6 Rz 25.
[19] Allgemeine Bedingungen für den Premium-Unfallschutz der Generali Versicherung AG (AUVB 2016) in der Fassung 9/2017.
[20] Fenyves/Koban, Allgemeine Versicherungsbedingungen5 484.
[21] Musey, Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten, in VVO (Hrsg), Invalidität in der privaten Unfallversicherung2 (2016) 14ff.
[22] Fenyves in Fenyves/Schauer § 6 Rz 25ff.
[23] OGH 7 Ob 22/10a RdW 2010/521 = ZFR 2011/8 (Gruber) = ecolex 2010/428 = VersR 2011, 778 = Ertl, ecolex 2011, 1076 = VR 2012/871 = Zak 2012/169 (Kolmasch) = Zak 2012/373 (Kolmasch).
[24] OGH 7 Ob 63/07a EvBl 2007/149 = VersR 2008, 1423 = Ertl, ecolex 2008, 1094 = Gruber, ZFR 2008, 227 = VR 2009/819 = Kolmasch, Zak 2012, 83 = Kolmasch, Zak 2012, 186.
[25] RIS-Justiz RS0109447.
[26] RIS-Justiz RS0109447; RIS-Justiz RS0080040, Musey in VVO, Invalidität in der privaten Unfallversicherung2 4.
[27] Näheres siehe Kapitel 1.
[28] Näheres siehe Kapitel 3.1.2.
[29] OGH 7 Ob 79/14i Gruber, ZFR 2014, 380 = VersR 2015, 130 = VR 2015/950 = ecolex 2015/11 = RdW 2015/36 = ZVR 2015/126 (Huber) = Ertl, ecolex 2015, 1032 = SZ 2014/56.
[30] OGH 16.03.2005, 7 Ob 311/04t.
[31] RIS-Justiz RS0109450; OGH 28.11.2007, 7 Ob 185/07t.
[32] Perner in Fenyves/Schauer § 179 Rz 32.
[33] RIS-Justiz RS0107031.
[34] RIS-Justiz RS0109451; OGH 7 Ob 301/03w VR 2005,106.
[35] Grubmann, Das Versicherungsvertragsgesetz7 (2012) 862.
[36] OGH 28.11.2007, 7 Ob 185/07t.
[37] OGH 7 Ob 191/15m r+s 2016, 530 (Hoenicke) = VersR 2016, 1529 = ZfG 2016, 93 = ZFR 2017/9 = ecolex 2017/94.
[38] RIS-Justiz RS0109451; RIS-Justiz RS0107031.
[39] Beweispflicht des VN.
[40] Beweispflicht des VR.
[41] Braumüller, Fristenregelungen, in VVO (Hrsg), Invalidität in der privaten Unfallversicherung2 2; Grimm, Unfallversicherung Kommentar5 (2013) 156.
[42] OGH 7 Ob 191/15m r+s 2016, 530 (Hoenicke) = VersR 2016, 1529 = ZfG 2016, 93 = ZFR 2017/9 = ecolex 2017/94.
[43] Allgemeine Bedingungen für den Premium-Unfallschutz der Generali Versicherung AG (AUVB 2016) in der Fassung 9/2017.
[44] RIS-Justiz RS0082292.
[45] RIS-Justiz RS0106013; OGH 04.12.1996, 7 Ob 2362/96w.
[46] OGH 7 Ob 9/11s ecolex 2011/229 (Ertl) = Gruber, ZFR 2011, 267 = VersR 2012, 339 = VR 2012/881 = Ertl, ecolex 2012, 1040.
[47] Rechberger, Kommentar zur ZPO4 (2014) § 362 Rz 1.
[48] Rechberger, ZPO4 § 359 Rz 1.
[49] Welche Feststellungen im Befund notwendig sind, zur späteren gutachterlichen Beurteilung, wären in der Folge in einem Verfahren seitens eines medizinischen Sachverständigen zu beurteilen.
[50] Jacob, Unfallversicherung AUB 2010 unter Berücksichtigung von AUB 2008/99 und AUB 94/88 (2013) 96.
[51] RIS-Justiz RS0034591.
[52] Musey in VVO, Invalidität in der privaten Unfallversicherung2 5.
[53] Grimm, Unfallversicherung Kommentar5 162.
[54] RIS-Justiz RS0082222.
[55] OGH 17.09.1992, 7 Ob 17/92.
[56] 7 Ob 147/09g Ertl, ecolex 2010, 924 = Gruber, ZFR 2010, 278 = RdW 2010/124 = VR 2013/887.
[57] Vgl Kapitel 3.2.2. Der Begriff des „ärztlichen Befundberichtes“.
[58] Musey in VVO, Invalidität in der privaten Unfallversicherung2 5.
[59] OGH 06.04.2016, 7 Ob 47/16m.
[60] Fenyves/Koban, Allgemeine Versicherungsbedingungen5 484.
[61] RIS-Justiz RS0122119.
[62] RIS-Justiz RS0122119.
[63] OGH 26.04.2016, 7 Ob 47/16m.
[64] OGH 7 Ob 153/12v RdW 2013/345 = Gruber, ZFR 2013, 272 = ecolex 2013/431 = Ertl, ecolex 2014, 841 = VR 2016/988.
[65] OGH 7 Ob 153/12v.
[66] Näheres weiter unten in diesem Kapitel.
[67] OGH 06.04.2016, 7 Ob 47/16m.
[68] OGH 06.04.2016, 7 Ob 47/16m.
[69] Der VR kann bei einer seines Erachtens zu hohen Leistungsauszahlung eine Klage gegen den VN gestützt auf den bereicherungsrechtlichen Anspruch gem § 1431 ABGB (condictio indebiti) einbringen.
[70] OGH 7 Ob 102/15y ZFR 2016/274, VersR 2017, 317 = ecolex 2017/307.
[71] Musey in VVO, Invalidität in der privaten Unfallversicherung2 6.
[72] OGH 7 Ob 102/15y ZFR 2016/274, VersR 2017, 317 = ecolex 2017/307.
[73] OGH 7 Ob 117/15d Gruber, ZFR 2016, 183 = VersR 2016, 689 = Ertl, ecolex 2016, 944 = Ertl, ecolex 2016, 949 = ecolex 2016/420.