Führerscheinentzug (Österreich): Gründe, Ablauf, Rechtsmittel

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Führerscheinentzug (Österreich): Gründe, Ablauf, Rechtsmittel

Droht der Führerscheinentzug in Österreich, gilt es einen kühlen Kopf zu bewahren. Wir informieren in diesem Artikel über den Verfahrensgang, das Führerscheinentzugsverfahren im Speziellen, Vormerkdelikte und etwaige Fehler der Behörde. Zögern Sie nicht, uns für eine Erstberatung zum Thema Führerscheinentzug zu kontaktieren:

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1. Allgemeines

Die Straßenverkehrsordnung (StVO), das Führerscheingesetz (FSG) und das Kraftfahrtgesetz (KFG) bilden die wichtigsten Rechtsgrundlagen für das Verhalten im Straßenverkehr. Wird gegen die darin normierten Regelungen verstoßen, drohen (hohe) Geldstrafen. So etwa eine Nachschulung, ein Verkehrscoaching, eine verkehrspsychologische Untersuchung und/oder der Führerscheinentzug.

Die Lenkberechtigung wird grundsätzlich denjenigen Personen entzogen, welche als „verkehrsunzuverlässig“ einzustufen sind. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn ein Fahrzeug unter Alkohol– oder Drogeneinfluss in Betrieb genommen oder eine zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten wird. Auch jene Fälle, bei welchen eine Person gesundheitlich zum Führen eines Fahrzeuges nicht geeignet ist, sind umfasst.

2. Verfahrensgang bei Verstößen im Straßenverkehr

2.1. Allgemeiner Verfahrensgang im Verwaltungsstrafverfahren

Bei einem Verstoß, der den Entzug der Lenkberechtigung rechtfertigt bzw. rechtfertigen kann, wird in der Regel ein Verwaltungsstrafverfahren (mit Bindungswirkung) sowie ein Führerscheinentzugsverfahren geführt. Da der Entzug der Lenkberechtigung eine Maßnahme darstellt, liegt kein Verstoß gegen das Doppelbestrafungsverbot vor, wenn eine Verwaltungsstrafe (meist Geldstrafe) ausgesprochen wird und zusätzlich der Entzug des Führerscheins erfolgt.
Im Rahmen eines Verwaltungsstrafverfahrens entscheidet die Behörde entweder mittels Strafverfügung, Straferkenntnis, Anonymverfügung oder Organstrafverfügung.

Strafverfügung („Mandatsverfahren“): Wird von einem Gericht, einer Verwaltungsbehörde, einem Organ der öffentlichen Aufsicht oder einer Militärwache aufgrund dienstlicher Wahrnehmung oder eines in Anwesenheit ihrer Person abgelegten Geständnisses eine Verwaltungsübertretung angezeigt, kann von der Behörde ohne weiteres Verfahren eine Strafverfügung erlassen werden. Zusätzlich steht diese Form eines abgekürzten Strafverfahrens dann zu, wenn eine Verwaltungsübertretung aufgrund von „Verkehrsüberwachung mittels bildverarbeitender technischer Einrichtung“ (z.B. durch ein Radar) festgestellt wird. Die Geldstrafe darf bis zu EUR 600,00 betragen.
Als Rechtsmittel gegen die Strafverfügung steht dem Beschuldigten binnen zwei Wochen nach deren Zustellung der Einspruch zu. Dieser kann sowohl mündlich als auch schriftlich bei der Verwaltungsbehörde, welche die Strafverfügung erlassen hat, erhoben werden. In diesem Fall tritt die Strafverfügung außer Kraft und die Verwaltungsbehörde hat das ordentliche Verfahren einzuleiten. In dem durch den erhobenen Einspruch ergehenden Straferkenntnis darf keine höhere Strafe als in der vorhergehenden Strafverfügung verhängt werden (Verbot der reformatio in peius).

Straferkenntnis: Ein Straferkenntnis ergeht im Rahmen eines ordentlichen Verfahrens. Im Gegensatz zum abgekürzten Verfahren (drei Möglichkeiten: Strafverfügungen, Anonymverfügungen und Organstrafverfügung) wird im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, in welchem dem Beschuldigten die Möglichkeit gegeben wird, sich zu rechtfertigen.

Gegen ein Straferkenntnis kann sich der Beschuldigte mit einer Beschwerde zur Wehr setzen. Einzubringen ist dieser bei der Behörde, welche den Bescheid ausgestellt hat. Die Frist zur Erhebung einer Beschwerde beträgt 4 Wochen. Der Beschwerde kommt grundsätzlich aufschiebende Wirkung zu. Folge daraus ist, dass das angefochtene Straferkenntnis (vorerst) nicht vollstreckt werden darf.

2.2. Führerscheinentzugsverfahren

Für den Fall, dass die Behörde im Rahmen des Verwaltungsstrafverfahrens mit rechtskräftigem Bescheid (bzw. bei rechtskräftigem Vorliegen einer Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes) über eine Strafe abgesprochen hat, welche zum Führerscheinentzug führt, ist in der weiteren Folge das Führerscheinentzugsverfahren einzuleiten. Von diesen Fällen zu unterscheiden sind jene, bei welcher es zur sofortigen Abnahme des Führerscheins nach einer Polizeikontrolle kommt. Wenn eine sofortige Entziehung erfolgt, wird in diesem Zusammenhang ein sogenannter Mandatsbescheid ausgestellt. Eine Bekämpfung dieses Mandatsbescheides hat (im Vergleich zur Bekämpfung einer Strafverfügung oder eines Straferkenntnisses) keine aufschiebende Wirkung. Gegen diesen kann eine Vorstellung (ohne aufschiebende Wirkung) eingebracht werden. Nach Einbringung der Vorstellung wird das Ermittlungsverfahren (binnen 2 Wochen) eingeleitet und die Verwaltungsbehörde entscheidet erneut (sofern der Bescheid nicht außer Kraft tritt). Gegen diese Entscheidung steht das Rechtsmittel der Beschwerde binnen 4 Wochen an das Landesverwaltungsgericht zu.

3. Regelungen zum Führerscheinentzug und den Vormerkdelikten

Für den Führerscheinentzug spezifisch ist, dass zwischen „bloßen“ Vormerkdelikten und Delikten, welche umgehend zum Entzug des Führerscheins führen, zu unterscheiden ist.

3.1. Vormerkdelikte

Einige Verstöße gegen die Rechtsnormen der StVO, FSG oder dem KFG führen zwar nicht direkt zum Entzug der Lenkberechtigung, haben jedoch einen Eintrag im örtlichen Führerscheinregister zur Folge. Es handelt sich um sogenannte Vormerkdelikte.

Die erste Eintragung hat keine Konsequenzen und erlischt nach zwei Jahren, wenn bis dahin kein weiteres Vormerkdelikt oder Führerscheinentzugsdelikt gesetzt wird. Wird innerhalb dieses Zeitraums ein zweites Vormerkdelikt begangen, erhöht sich die Dauer auch für das Erstdelikt auf drei Jahre und wird weiters eine sogenannte Maßnahme (z.B.: Nachschulung, Perfektionsfahrt, etc.) verordnet. Kommt es zu einer dritten Vormerkung wird der Führerschein für mindestens drei Monate entzogen.

Folgende Delikte stellen Vormerkdelikte dar:

  • Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges mit 0,5 bis 0,8 Promille
  • Behinderung und gleichzeitige Gefährdung von Fußgängern am Schutzweg
  • Nichtbeachtung des Verkehrszeichens „Halt“ oder eines Rotlichtes (bei Gefährdung Dritter)
  • Befahren eines Pannenstreifens/Befahren einer gebildeten Rettungsgasse und eine daraus resultierende Behinderung von Einsatzkräften
  • Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Vorschriften über die Kindersicherung
  • Gefährden der Verkehrssicherheit durch nicht entsprechend gesicherte Ladung oder durch einen nicht einwandfreien Zustand des Kraftfahrzeuges
  • Nichteinhaltung des notwendigen Sicherheitsabstandes (0,2 bis 0,4 Sekunden)

3.2. Führerscheinentzugsdelikte

Im Gegensatz zu den soeben erwähnten Vormerkdelikte kommt es bei den Führerscheinentzugsdelikten jedenfalls zum Entzug der Lenkberechtigung. Die Dauer ist je nach Delikt unterschiedlich, wobei der Mindestentzug 1 Monat beträgt. Führerscheinentzug wegen Alkohol am Steuer, überhöhte Geschwindigkeit und Nichteinhaltung des Sicherheitsabstandes sind typische Delikte.

Folgende Delikte stellen Führerscheinentzugsdelikte dar:

  • Inbetriebnahme eines Kraftfahrzeuges mit 0,8 bis weniger als 1,2 Promille oder unter Drogeneinfluss
  • Lenken eines Kraftfahrzeuges mit 1,2 bis weniger als 1,6 Promille
  • Lenken eines Kraftfahrzeuges mit 1,6 oder mehr Promille
  • Verweigerung eines Alkoholtests zur Feststellung des Alkoholgehalts in der Atemluft
  • Geschwindigkeitsüberschreitungen von mehr als 40 km/h innerhalb des Ortsgebiets oder 50 km/h außerhalb des Ortsgebiets
  • Fahren gegen die vorgegebene Fahrtrichtung auf einer Autobahn (Geisterfahrer)
  • Unterlassen der Hilfeleistung nach einem selbst verursachten Verkehrsunfall, bei dem eine Person verletzt wurde
  • Nichteinhaltung des notwendigen Sicherheitsabstandes (weniger als 0,2 Sekunden)
  • Überholen im Überholverbot bei besonders schlechter oder nicht ausreichender Sicht

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4. Mögliche Rechtswidrigkeiten der Behörde

4.1 Fehler bei der Geschwindigkeitsmessung

Es gibt zahlreiche Methoden zur Geschwindigkeitsmessung: Radar, Lasermessgeräte, Induktionsschleifen, Lichtschranken etc. Zu überprüfen ist stets, ob denn die Messung ordnungsgemäß erfolgt ist.

Mögliche Fehlerquellen und konkrete Umstände, welche eine unrichtige Messung zur Folge haben, muss der Beschuldigte darlegen (z.B. konkrete Tatsachen, welche auf einen Reflexionsfehler, Bedienungsfehler, Identifikationsfehler, Messwinkelfehler, fehlende Testdurchläufe, fehlender Eichschein etc. hinweisen).

Werden Geschwindigkeitsüberschreitung mit Hilfe geeichter Messgeräte (z.B. Radar, Laser) festgestellt, müssen die in der Zulassung vorgesehenen Eich- und Verkehrsfehler-grenzen und ein zusätzlicher Sicherheitsfaktor wegen des Risikos bei der Erfassung der Fahrzeuggeschwindigkeit (z.B. leichtes Schrägfahren bei ungerader Fahrbahn) berücksichtigt werden.

4.2. Fehler bei Abstandsdelikten

Auch Abstandsdelikte können aufgrund fehlerhafter Messungen zustande kommen. Das Messen des Sicherheitsabstandes erfolgt häufig von Brücken aus. Eine Einsicht in die Videoaufzeichnung bzw. die Messbilder kann Aufschlüsse darüber geben, ob die Messung ordnungsgemäß erfolgt ist.

Für den Fall, dass das Ergebnis einer Messung von subjektiven Entscheidungen eines Beamten abhängt (z.B. Setzen der Messlinie), muss eine Nachprüfung dieses Vorgangs zu einem späteren Zeitpunkt möglich sein. Die Verlässlichkeit der erfolgten Abstandsmessung kann erst dann abschließend beurteilt werden, wenn objektiv nachvollziehbar ist, dass die Messlinie an den in der Betriebsanleitung vorgesehenen Stellen gesetzt wurde.

Eine Strafbarkeit des Betroffenen für die Nichteinhaltung des vorgeschriebenen Sicherheitsabstandes wird danach beurteilt, ob das Messgeräte entsprechend der Gebrauchsanweisung verwendet wurde und sämtliche Voraussetzungen für eine technisch einwandfreie Messung gegeben waren. Die Fehlerquellen sind vergleichbar mit jenen bei Geschwindigkeitsmessungen (siehe oben).

4.3. Führerscheinentzug Alkohol: Fehler bei Alkoholdelikten

Die Grundlage von Alkoholdelikten, der Alkoholtest, darf vor Ort generell jederzeit, auch ohne bestehenden Verdacht, ausgeführt werden; sofern dies seitens dazu ermächtigter Personen erfolgt.

Konnte eine Atemalkoholuntersuchung nicht vor Ort durchgeführt werden, ist es erlaubt den Lenker nachträglich zum Zweck der Beweissicherung einer Kontrolle zu unterziehen. Besteht nach Ansicht der Organe der Straßenaufsicht ein konkreter Verdacht auf eine Alkoholisierung, können diese verlangen, dass der Lenker zur nächsten Polizeidienststelle mitkommt. Häufige Faktoren für ein unverwertbares Messergebnis sind folgende:

  • Messung nach Ablauf der fixierten Eichfrist des Messgeräts (Alkomat),
  • Messung nur mit einem Vortestgerät,
  • wenn die einer Gebrauchsanweisung zu entnehmenden Verwendungsbestimmun-gen von Alkomaten (z.B. beachten von Wartezeiten – nach zuvor erfolgter Zunah-me von Flüssigkeiten, Nahrungsmittel etc. – vor einer Messung) nicht eingehalten werden

4.4. Sonstige Fehler

Ob ein Fehler seitens der Behörde vorliegt, ist stets im Einzelfall nach Einsicht in den Be-hördenakt zu prüfen.

FAZIT FÜHRERSCHEINENTZUG ÖSTERREICH

Ein Führerscheinentzug (Österreich) ist für die Betroffenen oftmals ein großer Einschnitt in den Alltag und mit entsprechenden Umständen verbunden. Die genaue Kenntniss der möglichen Rechtsmittel und Verfahrensabläufe kann Orientierung schaffen und Ängste nehmen. Kontaktieren Sie uns für eine Erstberatung bei NFRA Rechtsanwälte Graz / Wien.

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